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Zwangsstörung verstehen: Wenn Gedanken und Handlungen den Alltag bestimmen

ArtikelLesezeit: 5:00 min.
Frau wäscht sich gründlich die Hände

Bildnachweis: © stock.adobe.com / Microgen

Immer wieder die Hände waschen, ständig alles kontrollieren und trotzdem keine Ruhe finden? Zwangsstörungen können das Leben stark beeinträchtigen. Erfahren Sie, woran Sie sie erkennen und wie Hilfe möglich ist.

Expertenbild

Die Expertin zum Thema

Heike Maier

Dipl.-Psychologin
ServiceCenter AOK-Clarimedis

Was versteht man unter einer Zwangsstörung?

Zwangsstörungen gehören zu den psychischen Erkrankungen und können sich unterschiedlich äußern. Manche Betroffene ekeln sich vor Schmutz, andere haben das Gefühl, zählen zu müssen, während sie alltägliche Dinge tun. Wieder andere kontrollieren ständig, ob der Herd aus ist oder die Fenster zu sind.

Neben Zwangshandlungen können auch bedrohliche oder quälende Gedanken Menschen mit einer Zwangsstörung belasten. Diese sogenannten Zwangsgedanken betreffen zum Beispiel die Angst, sich selbst oder anderen etwas anzutun, obwohl man das gar nicht will. Die Gedanken werden als aufdringlich, fremd oder sogar erschreckend erlebt.

Oft ist den Erkrankten bewusst, dass ihre Handlungen sinnlos und übertrieben sind. Führen sie die Zwangshandlungen durch, fühlen sie sich gegebenenfalls kurzzeitig entlastet. Grundsätzlich aber fühlen sie sich dadurch gestört und in ihrem Alltag eingeschränkt.

Fachleute schätzen, dass etwa zwei bis drei Prozent der Erwachsenen im Laufe ihres Lebens darunter leiden. Männer und Frauen sind etwa gleich häufig betroffen. Die Erkrankung beginnt oft schon im Kindes- oder Jugendalter und bleibt unbehandelt meist über Jahre bestehen.

Woran erkenne ich eine Zwangsstörung?

Zwangsstörungen äußern sich in der Regel durch wiederkehrende Gedanken (Zwangsgedanken), Handlungen (Zwangshandlungen) oder beides.

Typische Beispiele für Zwangshandlungen:

  • Ständiges Waschen, z. B. der Hände
  • Zählen oder Wiederholen bestimmter Abläufe
  • Eine bestimmte Reihenfolge einhalten, z. B. beim Anziehen
  • Handlungen bis zu einer gewissen Anzahl wiederholen müssen
  • Einen bestimmten Spruch aufsagen, vermeintlich um etwas Schlimmes zu verhindern

Typische Zwangsgedanken:

  • Ständige Angst, sich oder andere zu verletzen
  • Intensive Sorgen, durch Unachtsamkeit Schaden zu verursachen
  • Angst vor Krankheiten, Infektionen oder Schmutz
  • Impulse, die als fremd erlebt werden, z. B. sexuell, religiös oder aggressiv

Häufig liegt eine Kombination aus Gedanken und Handlungen vor.

Von einer Erkrankung sprechen Fachleute, wenn Symptome über mehrere Wochen oder Monate andauern und den Alltag deutlich beeinträchtigen.

Was sind die Ursachen für eine Zwangsstörung?

Eine eindeutige Ursache für Zwangsstörungen gibt es nicht. Nach derzeitigem Wissensstand kommen verschiedene Faktoren zusammen, die die Entstehung einer Erkrankung begünstigen. Diese Aspekte können eine Rolle spielen:

Genetische Faktoren

Zwangsstörungen treten in einigen Familien gehäuft auf. Demnach scheint Vererbung eine Rolle zu spielen – aber auch das Verhalten der Eltern oder anderer Familienangehöriger kann Einfluss haben.

Neurobiologische Faktoren

Bestimmte Hirnbereiche sind bei Menschen mit Zwangsstörungen besonders aktiv. Fachleute vermuten, dass ein veränderter Hirnstoffwechsel (z. B. im Serotoninsystem) beteiligt ist. Auch Kopfverletzungen oder neurologische Erkrankungen wie Epilepsie können Zwangssymptome begünstigen.

Erfahrungen und Erziehung

Ein sehr strenges oder ängstliches Elternhaus kann das Risiko erhöhen. Gleiches gilt für traumatische Erlebnisse wie Gewalt, Krankheit oder der Verlust einer nahestehenden Person. Auch ein hoher innerer Leistungsdruck oder ein starkes Kontrollbedürfnis können mit einer Zwangsstörung zusammenhängen.

Paar im Gespräch.

Psychotherapie

Die AOK steht Ihnen zur Seite.

Wie lässt sich eine Zwangsstörung behandeln?

Der erste Schritt ist oft ein Gespräch mit dem Hausarzt oder direkt mit einem Psychotherapeuten. Dieser ordnet die Situation ein, stellt eine mögliche Diagnose und empfiehlt Behandlungsoptionen.

Psychotherapie – Verhaltenstherapie ist Goldstandard

Die wirksamste Methode ist die kognitive Verhaltenstherapie mit Exposition und Reaktionsverhinderung (ERP). Dabei setzt sich der Patient gezielt seinen angstauslösenden Gedanken oder Situationen aus, führt aber bewusst keine Zwangshandlung aus. Mit der Zeit sinkt die Angst, und das zwanghafte Verhalten lässt nach.

Medikamentöse Behandlung

Bei mittelschweren bis schweren Fällen kommen Medikamente hinzu. Meist handelt es sich um sogenannte SSRI (Selektive Serotonin-Wiederaufnahmehemmer) wie Sertralin, Fluoxetin oder Escitalopram. Diese Wirkstoffe gleichen den veränderten Hirnstoffwechsel aus und können Zwangssymptome mildern.

Ergänzende Maßnahmen

  • Achtsamkeitsübungen und Entspannungstechniken (z. B. Progressive Muskelentspannung) können helfen, innere Unruhe zu reduzieren.
  • Online-Programme bzw. Apps zur Selbsthilfe sind verfügbar – sie können eine Therapie nicht ersetzen, aber sinnvoll ergänzen.

Welche Folgen kann eine unbehandelte Zwangsstörung haben?

Zwangsstörungen belasten die Psyche oft stark. Viele Erkrankte ziehen sich zurück, sprechen mit niemandem über ihre Sorgen – aus Scham oder Angst, nicht verstanden zu werden.
Mögliche Folgen:

  • Soziale Isolation
  • Zusätzliche psychische Erkrankungen, z. B. Depressionen oder Angststörungen
  • Körperliche Beschwerden, z. B. Hautprobleme durch häufiges Waschen oder Schmerzen durch ständiges Kontrollieren

Je früher eine Behandlung beginnt, desto besser sind die Erfolgsaussichten.

Was können Angehörige tun, wenn jemand eine Zwangsstörung hat?

Angehörige sind oft stark in die Zwänge eingebunden – etwa, wenn sie kontrollieren, beruhigen oder mitwaschen sollen. Das kann kurzfristig helfen, verstärkt aber langfristig das Problem.

3 Tipps für Angehörige:

  • Vermeiden Sie es, die Zwänge mitzumachen. Das kann die Störung ungewollt stabilisieren.
  • Informieren Sie sich über die Erkrankung. Das hilft, besser zu verstehen, was im anderen vorgeht.
  • Suchen Sie sich selbst Unterstützung – z. B. in Selbsthilfegruppen oder Beratungsstellen.

Wichtig: Niemand ist schuld an der Erkrankung, weder die Betroffenen noch ihr Umfeld.

Selbsttest: Zwangsstörung – sind Sie gefährdet?

Hinweis: Dieser Test ersetzt weder eine ärztliche Diagnose noch den Besuch beim Arzt. Er zeigt nur, ob Sie tendenziell gefährdet sind, eine Zwangsstörung zu entwickeln.

Zwangsstörung – sind Sie gefährdet?

Frage 1 von 8:

Wie halten Sie es mit den Fahrkarten, wenn Sie mit dem Zug reisen?

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Frage 2 von 8:

Angenommen, Sie haben ein Büro oder einen Werkraum. Welche Rolle spielt Ordnung für Sie darin?

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Frage 3 von 8:

Haben Sie in Ihrer Phantasie schon einmal einem Menschen etwas Böses angetan?

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Frage 4 von 8:

Sie beobachten im Café eine Frau, die am Fenster sitzt und murmelnd die Passanten zählt. Finden Sie das merkwürdig?

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Frage 5 von 8:

Haben Sie Bilder im Kopf, die Sie verfolgen und die Sie nicht abschütteln können?

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Frage 6 von 8:

Die Kaffepause, der Spaziergang im Park oder das Gute-Nacht-Sagen: Jeder Mensch hat Rituale, macht also bestimmte Dinge regelmäßig, mehr oder weniger immer in gleicher Weise und mit Freude. Sie auch?

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Frage 7 von 8:

Haben Verwandte, Freunde oder Bekannte Ihnen schon mal gesagt, dass Sie sich übertrieben oft waschen?

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Frage 8 von 8:

Ein Gedanke macht Ihnen Angst, beispielsweise dass einem geliebten Menschen etwas zustößt. Haben Sie das Bedürfnis, die Angst einzudämmen, indem sie eine bestimmte Handlung oft genug wiederholen?

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Kein Hauch einer Zwangsstörung

Sie fühlen keinen Zwang, irgendetwas in einer bestimmten Art und Weise tun zu müssen. Unter einer Zwangsstörung leiden Sie höchstwahrscheinlich nicht. Sie sehen vieles locker – in den Augen mancher Mitmenschen vielleicht zu locker. Angsteinflößende Gedanken sind Ihnen fremd oder Sie wissen, wie man gut mit ihnen umgeht. Auf andere wirken Sie entspannt und mit sich selbst im Reinen.

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Sie neigen nicht zu Zwängen

Sie sind im Allgemeinen ordentlich und pflichtbewusst, können aber auch mal Fünf gerade sein lassen. Kleine Rituale sind Ihnen wichtig, es handelt sich aber nicht um Zwangshandlungen, die sie unbedingt in einer bestimmten Weise ausführen müssen und/oder viele Male wiederholen. Sie sehen einen Sinn in dem, was Sie tun. Manchmal belastet Sie ein Gedanke, aber er wiederholt sich nicht in einförmiger Weise wie ein Zwangsgedanke. Sie haben mit hoher Wahrscheinlichkeit keine Zwangsstörung.

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Tendenz zur Zwangsstörung

Sie legen großen Wert auf Ordnung und haben vielleicht das ein oder andere Ritual entwickelt, das andere befremdlich und auch Sie selbst als störend empfinden. Es könnte also sein, dass Sie bereits unter einer Zwangsstörung leiden oder dabei sind, eine zu entwickeln. Wenn Sie unter stets wiederkehrenden Gedanken leiden, die Ihnen Angst machen oder Unruhe hervorrufen, oder wenn Sie Handlungen etliche Male wiederholen, obwohl sie Ihnen unsinnig erscheinen, sollten Sie ärztlichen Rat einholen. Manche Zwangshandlungen können auch Ausdruck einer anderen psychischen Störung sein – lassen Sie das abklären. Die Hoffnung Betroffener, eine Zwangsstörung allein in den Griff zu bekommen, erfüllt sich in der Regel leider nicht.

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FAQ – Häufige Fragen zur Zwangsstörung

Was ist der Unterschied zwischen Zwangsstörung und Angststörung?

Zwangsstörungen gehören zwar zu den Angststörungen, sind aber durch wiederkehrende Gedanken und Handlungen gekennzeichnet, die ritualisiert ablaufen. Bei Angststörungen stehen eher konkrete Ängste oder Panikattacken im Vordergrund.

Ist eine Zwangsstörung heilbar?

Ja, in vielen Fällen lässt sich die Symptomatik durch Therapie deutlich verbessern oder sogar vollständig überwinden. Wichtig ist, frühzeitig Hilfe zu suchen und dranzubleiben.

Welche Rolle spielt Stress bei der Entstehung von Zwängen?

Stress kann Zwangssymptome verstärken – ist aber in der Regel nicht die alleinige Ursache. Viele Betroffene berichten, dass sich ihre Symptome in belastenden Lebensphasen verschärfen.

Wie lange dauert die Therapie einer Zwangsstörung?

Das ist individuell. Bei guter Mitwirkung kann eine Verhaltenstherapie bereits nach einigen Monaten spürbare Verbesserungen bringen. In manchen Fällen dauert es länger.

Letzte Änderung: 02.09.2025

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