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Psychotherapie: Therapieplatz finden – so geht’s

ArtikelLesezeit: 3:00 min.
Mann unterhält sich mit Therapeutin

Bildnachweis: © stock.adobe.com / LIGHTFIELD STUDIOS

Es gibt viele Gründe, sich an einen Psychotherapeuten zu wenden. Ob Depressionen, Suchterkrankung, Angststörungen, Essstörungen, Persönlichkeitsstörungen oder andere schwerwiegende Belastungen: Die Nachfrage nach therapeutischer Beratung ist hoch.

Jährlich ist rund ein Drittel der deutschen Bevölkerung von einer psychischen Erkrankung betroffen. Sie sind nach Herz-Kreislauf-Erkrankungen, Krebs und Erkrankungen des Muskel-Skelett-Apparats die vierthäufigste Ursache für den Verlust gesunder Lebensjahre. Wer aus eigenem Antrieb heraus, nach Gesprächen mit Vertrauten oder Rücksprache mit dem Hausarzt das Gefühl hat, psychotherapeutische Hilfe zu benötigen, sollte seinem Impuls folgen.

Erster Schritt: Besuch der psychotherapeutischen Sprechstunde

Jeder gesetzlich Krankenversicherte hat Anspruch auf den Besuch einer psychotherapeutischen Sprechstunde. Dafür ist keine Überweisung vom Haus-, Kinder- und Jugendarzt nötig. Diese Sprechstunden müssen von allen Ärzten und Psychotherapeuten angeboten werden, die eine sogenannte Genehmigung zur Abrechnung von Richtlinienpsychotherapie haben. Hilfe bei der Terminvergabe zur psychotherapeutischen Sprechstunde gibt es bei der Terminservicestelle der Kassenärztlichen Bundesvereinigung (KBV) unter www.116117-termine.de oder telefonisch unter 116117. Dieser Termin muss innerhalb von vier Wochen realisiert werden.

Bei der Erstberatung wird im Rahmen der Diagnostik abgeklärt, ob eine medizinische Notwendigkeit zu einer Psychotherapie besteht oder ob andere Beratungsangebote wie eine Paartherapie oder Familienberatung angezeigt sind. In der Regel dauert die Sprechstunde 50 Minuten. Der Besuch der Sprechstunde ist Voraussetzung für anschließende probatorische Sitzungen oder den Beginn einer Akutbehandlung. Aus dem Besuch einer psychotherapeutischen Sprechstunde kann auch eine Klinikeinweisung hervorgehen. Der Patient erhält am Ende der Sprechstunde einen Befundbericht und die konkrete Empfehlung weiterer Maßnahmen, inklusive eines Hinweises zur Dringlichkeit. Im Bericht können schon Aussagen getätigt werden, ob eine Kurzzeit- oder Langzeittherapie ratsam ist, welche Therapieform sinnvoll wäre und ob es medizinisch vertretbar wäre, dem Patienten eine gewisse Wartezeit auf einen Therapieplatz zuzumuten.

Zweiter Schritt: Einen Therapieplatz finden – wie geht das?

Endet die psychotherapeutische Sprechstunde mit der Aussage, dass eine Akutbehandlung notwendig ist, erhält der Patient von dem Therapeuten einen Dringlichkeitscode. Damit kann sich der Patient unter www.116117-termine.de oder telefonisch unter 116117 an die Terminservicestelle der Kassenärztlichen Bundesvereinigung (KBV) wenden. Mit dem Dringlichkeitscode hat der Versicherte Anspruch darauf, eine Zusage für zwölf Sitzungen von jeweils 50 Minuten zu erhalten, die binnen zwei Wochen starten müssen. Allerdings gibt es keinen Anspruch auf einen konkreten Therapeuten am Wunschort. Als zumutbar gilt ein Therapieangebot, das innerhalb von 30 Minuten Fahrzeit vom Wohnsitz aus erreichbar ist.

Empfiehlt der Befund probatorische Sitzungen zur Einleitung einer längeren Psychotherapie, aber explizit keine Akutbehandlung, muss diese innerhalb von vier Wochen beginnen. Unter 21-Jährige haben Anspruch auf bis zu sechs probatorische Sitzungen á 50 Minuten; ab 21-Jährige dürfen vier Sitzungen á 50 Minuten besuchen. Welches Therapieverfahren empfohlen wird, ist ebenfalls dem Erstbefund aus der psychotherapeutischen Sprechstunde zu entnehmen.

Patienten mit Anspruch auf einen Therapieplatz, für die aber laut psychotherapeutischer Sprechstunde aus medizinischer Sicht ein späterer Behandlungsbeginn vertretbar wäre, müssen sich eigenständig um einen Platz für die probatorischen Sitzungen kümmern. Dies erfolgt in der Regel per Telefon oder E-Mail. Eine Liste mit Adressen bietet die 116117 hier an. Die Psychotherapeuten mit Kassenzulassung müssen wöchentlich 200 Minuten telefonisch erreichbar sein. Erweist sich die selbständige Suche als erfolglos und verschlechtert sich der psychische Zustand währenddessen, kann der Patient erneut die psychotherapeutische Sprechstunde aufsuchen und um eine Neubewertung der Situation bitten.

 

Einen guten Überblick über Wege zur Psychotherapie gibt dieses Erklärvideo der KBV:

Welche Psychotherapieverfahren gibt es?

Ambulante Verhaltenstherapie

Mithilfe von Gesprächen und Übungen sollen belastende Verhaltensweisen abtrainiert und neue, positive Verhaltensmuster erlernt werden.

Analytische Psychotherapie

Ziel: die unbewussten Auslöser der Erkrankung zu identifizieren und durch bewusste Auseinandersetzung besser zu kontrollieren.

Tiefenpsychologische Psychotherapie

Ziel: verdrängte problematische Ereignisse aus der Vergangenheit zu erforschen, die zu der psychischen Erkrankung geführt haben können.

Systemische Therapie

Analyse der zwischenmenschlichen Beziehungen, mit dem Ziel, krankmachende Spannungen abzubauen und festgefahrene Mechanismen zu lösen.

Was unterscheidet die Kurzzeit- von der Langzeittherapie?

Eine Kurzzeittherapie schließt im Bedarfsfall an die probatorischen Sitzungen an und umfasst 24 Therapiesitzungen, die der Therapeut in zwei Kontingenten á 12 Sitzungen bei der Krankenkasse beantragen muss. Die Beantragung ist in der Regel ohne Einreichung eines medizinischen Gutachtens möglich. Die Krankenkasse informiert den Patienten über die Bewilligung oder Nicht-Bewilligung der Therapie.

Die Kurzzeittherapie kann in eine Langzeittherapie übergehen. Dies muss der Therapeut rund fünf Wochen vor Ende der Kurzzeittherapie durch ein Gutachten bei der Krankenkasse beantragen. Dazu gehört ein ergänzender somatischer Befund, der über die körperliche Gesundheit des Patienten Auskunft gibt.

Paar im Gespräch.

Psychotherapie

Die AOK steht Ihnen zur Seite.

Gruppentherapie als Alternative zur Einzeltherapie

Eine Gruppentherapie – in der Regel mit drei bis neun Teilnehmern – kann eine Alternative zur Einzeltherapie darstellen. Möglich ist auch eine Kombination von Einzel- und Gruppentherapie. Eine Gruppentherapie wird vor allem bei Depressionen, Angststörungen, psychosomatischen Erkrankungen oder Essstörungen empfohlen, weil sie den Teilnehmern aus der sozialen Isolation hilft und sie darin übt, Kritik zu äußern und zu erhalten und Unterstützung zu erfahren. Die Gruppentherapie vermittelt außerdem das tröstliche Gefühl, dass andere Menschen ähnliche Probleme haben.

Woher weiß ich, ob ein Therapeut zu mir passt?

Es ist wichtig, dass Sie zu Ihrem Therapeuten ein Vertrauensverhältnis aufbauen. Das setzt Sympathie voraus und das Gefühl, verstanden und angenommen zu werden. Hören Sie auf Ihr Bauchgefühl. Dass es zwischenmenschlich passt, ist eine der wichtigsten Voraussetzungen für den Therapieerfolg. Damit Sie Zeit haben, das zu überprüfen, gibt es die probatorischen Sitzungen. Wenn es nicht passt, können Sie sogar während einer laufenden Therapie den Therapeuten wechseln und dazu erneut probatorische Sitzungen besuchen. Allerdings ist dabei einiges zu beachten, etwa ob die bereits bewilligte Therapie einfach woanders fortgeführt werden soll oder ob nicht ein anderes Therapieverfahren vielleicht besser passt. Unsere Empfehlung: Kontaktieren Sie uns dazu gerne.

Ambulante Anschlusstherapie nach stationärem Aufenthalt

Wer bereits stationär behandelt worden ist, sollte bei der Entlassung möglichst nahtlos ambulant weiterbetreut werden. Das ist wichtig für die Absicherung des Behandlungserfolgs. Alle AOK Rheinland/Hamburg Versicherten mit der Diagnose Essstörung, Depression, Alkoholsucht oder Borderline, die acht Wochen nach ihrer Entlassung noch kein Nachsorgeangebot in Aussicht haben, dürfen das mentalis Programm nutzen. mentalis ist ein digitales Nachsorgeangebot, kombiniert mit einer Therapie-App und psychologischem Online-Coaching.

Weitere Hilfsangebote bei psychischen Problemen

Rund um die Uhr für Sie da ist die Telefonseelsorge oder, montags bis samstags von 14 bis 20 Uhr, die Nummer gegen Kummer für Jugendliche und Eltern. Hier können Sie jederzeit anrufen und Ihre Sorgen und Ängste teilen.

Auf der Website des Bundesinstituts für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM) finden Sie außerdem geprüfte digitale Gesundheitsanwendungen (DiGA), die Ihnen Ihr Arzt als gesetzlich Krankenversicherter verschreiben kann. Die DiGAs ersetzen natürlich keine Psychotherapie, können aber therapiebegleitend genutzt werden.

Letzte Änderung: 15.09.2023