Jeder vierte Erwachsene in Deutschland erkrankt im Laufe eines Jahres an einer psychischen Störung. Angststörungen sind dabei die häufigste Diagnose. In Deutschland sind etwa 1,5 Millionen Menschen betroffen. Häufig beginnen Angststörungen im jungen Erwachsenenalter. Die Ursachen dafür sind vielfältig. Die gute Nachricht: Es gibt wirksame Therapien, die dabei helfen, die Angst zu überwinden.
Examinierte Gesundheits- und Krankenschwester und Fachkrankenschwester für Psychiatrie
ServiceCenter AOK-Clarimedis
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Angst ist eine natürliche Reaktion auf Gefahren. Sie wird begleitet durch körperliche Reaktionen wie Herzrasen, Schwitzen oder Unruhe. Jeder hat gelegentlich Angst. Das ist vollkommen normal und auch sinnvoll.
Denn Angst hat eine wichtige Schutzfunktion. Sie versetzt den Körper in Alarmbereitschaft und macht uns besonders aufmerksam auf Gefahren, sodass wir schnell reagieren können. Ebenfalls ist es normal, in besonderen Situationen Ängste zu verspüren oder sich zu sorgen. Das gilt vor allem dann, wenn Alltagsrituale gestört werden oder sich die gesundheitliche Situation ändert – wie beispielsweise während der Corona-Pandemie.
Bei manchen Menschen nimmt die Angst aber ein übersteigertes Maß an. Die Angstreaktion ist der jeweiligen Situation nicht mehr angemessen und kann sich bis hin zu Panik steigern. Treten diese Angsterlebnisse immer wieder auf, spricht man von einer Angststörung.
Wenn die Angst Sie im Alltag einschränkt und Sie es nicht mehr schaffen, die Situation aus eigener Kraft zu bewältigen. Wenden Sie sich dann am besten zuerst an Ihren Hausarzt. Er spricht mit Ihnen über Ihre medizinische Vorgeschichte und Ihr aktuelles Befinden (Anamnese). Außerdem führt er erste Untersuchungen durch, um körperliche Ursachen für Ihre Symptome auszuschließen. Zur weiterführenden Behandlung kann er Sie an einen passenden Facharzt überweisen.
Es gibt unterschiedliche wissenschaftliche Theorien, was die Ursachen für die Entstehung von Angsterkrankungen sein können. Außerdem gibt es verschiedene Auslöser und Risikofaktoren, die im Verdacht stehen, dazu beizutragen. Fachleute diskutieren genetische, psychologische oder neurobiologische Faktoren.
Folgende Faktoren können bei der Entstehung einer Angststörung eine Rolle spielen:
Auch Geschlecht und Alter zählen zu den möglichen Risikofaktoren: Frauen leiden doppelt so oft an einer Angststörung wie Männer. Zudem sind vor allem junge Menschen betroffen. Im Zeitraum zwischen dem Teenageralter und Mitte 30 treten Angststörungen am häufigsten zum ersten Mal auf.
Angsterkrankungen werden begleitet durch unterschiedliche körperliche Reaktionen, die unwillkürlich auftreten. Diese können sehr stark ausgeprägt sein. Sie können anfallartig und plötzlich in Form einer Panikattacke auftreten oder unterschwellig in wechselnder Kombination erscheinen.
Zu den typischen körperlichen Symptomen von Angst zählen:
Die körperlichen Symptome werden von Betroffenen oft als stark bedrohlich wahrgenommen. Manchmal verlaufen Angststörungen auch ohne diese Symptome. Sie äußern sich dann zum Beispiel durch Schlafstörungen oder übermäßige, permanente Besorgtheit.
Angststörungen können sehr unterschiedlich ausgeprägt sein. Abhängig davon, wie sie verlaufen oder durch was sie ausgelöst werden, unterscheidet man sie in verschiedene Formen.
Bei einer Panikstörung handelt es sich um eine Angsterkrankung, bei der plötzlich und wiederholt Panikattacken mit intensiver Angst auftreten. Die Panikattacken geschehen ohne erkennbaren Grund, setzen aus heiterem Himmel ein und steigern sich binnen weniger Minuten zu ihrem Höhepunkt.
Panikattacken sind mit starken körperlichen Beschwerden verbunden, wie Herzrasen, Atemnot, Erstickungsgefühl oder Schwindel. Häufig entwickeln Betroffene dadurch auch Angst, die Kontrolle zu verlieren, ohnmächtig zu werden oder gar die Situation nicht zu überleben. Das führt zu einem Kreislauf aus anhaltenden Sorgen, der Angst vor weiteren Attacken und den damit verbundenen Begleiterscheinungen.
Die Agoraphobie wird auch als Platzangst bezeichnet. Betroffene haben Angst vor bestimmten Orten oder Situationen. Am häufigsten treten Angstattacken in Menschenmengen, öffentlichen Verkehrsmitteln oder engen Räumen wie Fahrstühlen auf. Aber auch große Plätze oder freie Räume können im Rahmen der Agoraphobie als bedrohlich wahrgenommen werden.
Agoraphobiker ängstigt das Gefühl, dass sie an bestimmten Orten in Panik geraten und eine Flucht dann schwer möglich ist, sie keine Hilfe erhalten oder peinliches Aufsehen erregen könnten. Zudem kann es zu ausgeprägten körperlichen Symptomen kommen, die letztlich zu Vermeidungsverhalten führen. In schweren Fällen können Betroffene nicht mehr allein das Haus verlassen. Eine Agoraphobie kann auch in Verbindung mit einer Panikstörung auftreten.
Eine soziale Phobie ist eine dauerhafte und unangemessene Angst vor dem Kontakt zu anderen Menschen oder vor Situationen, in denen man im Mittelpunkt der Aufmerksamkeit steht.
Typische angstauslösende Situationen sind zum Beispiel vor Kollegen oder Vorgesetzten zu sprechen, an Veranstaltungen teilzunehmen, Prüfungen zu absolvieren oder einen anderen Menschen anzusprechen. Betroffene befürchten, sich dabei peinlich oder ungeschickt zu verhalten oder negativ bewertet zu werden. Auch hier kommt es zu unangenehmen körperlichen Begleiterscheinungen.
Die schwerste Form der Angsterkrankung ist die generalisierte Angststörung. Hierbei verselbstständigt sich die Angst. Die Betroffenen befinden sich in einer Art dauerhaften Angstspirale voller unterschiedlicher Ängste, Sorgen und Bedrohungsgefühlen, aus der sie nicht herauskommen.
Die generalisierte Angststörung wird, wie die Panikstörung, von starken körperlichen und seelischen Symptomen begleitet. Es kann sich auch ein Grundmisstrauen bilden, sodass nicht nur Orte, sondern auch soziale Kontakte vermieden werden. Letztlich kann die generalisierte Angststörung zu ausgeprägtem Vermeidungsverhalten führen.
Eine spezifische Phobie ist eine unangemessene und intensive Angst vor bestimmten Objekten oder Situationen. Dazu gehört die Angst vor Tieren wie Spinnen (Arachnophobie), Schlangen, Ratten oder Katzen sowie vor Höhe, vorm Fliegen, dem Anblick von Blut, vorm Zahnarzt oder Spritzen. Bereits der Gedanke an die entsprechende Situation löst bei Betroffenen sofort Angst aus. Häufig leiden sie auch unter mehreren spezifischen Phobien.
Angststörungen haben verschiedene Gesichter. Der eine fürchtet sich vor Spinnen, andere vermeiden es, sich auf großen Plätzen aufzuhalten. Mithilfe unserer Checkliste können Sie überprüfen, was Ihnen Angst macht. In welchen Situationen haben Sie überstarke und wiederholt auftretende Ängste verspürt? In welchen Situationen kam es zu körperlichen Begleiterscheinungen? Darüber hinaus kann die Liste für ein Erstgespräch mit einem Arzt hilfreich sein.
Die Folgen einer Angststörung sind abhängig von Schwere, Dauer und Verlauf der Erkrankung. Häufig entwickeln Betroffene neue Verhaltensweisen, um die angstauslösende Situation zu vermeiden. Das kann zu sozialem Rückzug führen und die Lebensqualität enorm beeinträchtigen: Betroffene meiden zum Beispiel Kontakte zu anderen Menschen, gehen nicht mehr zur Arbeit oder fahren nicht mehr mit öffentlichen Verkehrsmitteln.
In schweren Fällen kann die Angsterkrankung somit auch zur Arbeitsunfähigkeit oder zum Jobverlust führen. Die Angst kann sich außerdem auf Situationen ausweiten, in denen vorher keine Angst erlebt wurde. Manchmal kommt es auch zu Angst vor der Angst, was Vermeidungsverhalten und Rückzug auslöst.
Zudem besteht durch soziale Isolation, Arbeitslosigkeit oder andere Beeinträchtigungen ein höheres Risiko, zusätzlich an einer Depression zu erkranken. Auch das Suizidrisiko kann bei Menschen mit einer Angststörung erhöht sein.
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Generell können Angsterkrankungen gut behandelt werden. Je eher eine Angststörung erkannt und behandelt wird, umso besser ist die Prognose.
Sie zu erkennen ist jedoch häufig kompliziert. Denn Betroffene suchen eher aufgrund der körperlichen Symptome einen Arzt auf – bei Herzrasen etwa einen Herzspezialisten – statt Facharztrichtungen, die sich auch mit seelischen Erkrankungen oder Psychosomatik auskennen.
Ein ausführliches und vertrauensvolles Arzt-Patienten-Gespräch, eine umfassende Befunderhebung sowie Untersuchungen, die andere Erkrankungen ausschließen, sind deshalb entscheidend für das Erkennen einer Angststörung.
Wird eine Angststörung diagnostiziert, dann stehen zur Behandlung verschiedene Therapieverfahren zur Verfügung. Dazu gehören:
Bei Angststörungen wird vor allem die Verhaltenstherapie eingesetzt. Je nach Art der Angststörung kommen dabei verschiedene Methoden infrage. Bei der Expositions- beziehungsweise Konfrontationstherapie wird der Betroffene unter Anleitung mit seinen angstauslösenden Situationen konfrontiert. Dabei erlebt er zwar Angst, merkt aber auch, dass diese von allein wieder nachlässt.
Bei der kognitiven Verhaltenstherapie geht es eher darum, falsche Verhaltensweisen zu erkennen und diese dann zu verändern. Auch Psychoedukation ist in diesen Zusammenhängen sinnvoll. Der Patient wird dabei durch Schulungen Experte über sein Erkrankungsbild und seine Symptome. Somit erlangen Betroffene mehr Selbstbefähigung und können besser mit der Erkrankung umgehen.
Bei Angststörungen können begleitend neben einer Psychotherapie auch Medikamente wie Antidepressiva eingesetzt werden. Bei akuten Panikattacken werden im Bedarfsfall auch Medikamente mit beruhigender Wirkung, wie Benzodiazepine oder deren Abkömmlinge, verordnet.
Wichtig für Betroffene und Angehörige ist es, sich über die Krankheit zu informieren. Bücher und Informationen im Internet bieten dazu hilfreiche Orientierung. In Selbsthilfegruppen besteht zudem die Möglichkeit, sich mit anderen Betroffenen auszutauschen. Im Kasten unter diesem Beitrag finden Sie erste Anlaufstellen.
Auch verschiedene Entspannungstechniken wie zum Beispiel Progressive Muskelentspannung nach Jacobson und Achtsamkeit sind bei Angststörungen hilfreiche therapiebegleitende Maßnahmen. Achtsamkeitstrainerin Angela Homfeldt stellt Ihnen Ruheinseln gegen die Angst vor.
Auch Apps können bei der Behandlung von Angststörungen unterstützen. Wie die „Apps auf Rezept“, sogenannte digitale Gesundheitsanwendungen (DiGA), funktionieren, lesen Sie hier. Eine Übersicht über die derzeit verfügbaren Apps finden Sie im DiGA-Verzeichnis des Bundesinstituts für Arzneimittel und Medizinprodukte.
Schlechte Nachrichten erreichen uns derzeit scheinbar ohne Pause: Krieg, Pandemie oder Klimakrise Wie diese Situationen unsere Psyche beeinträchtigen und Menschen mit und ohne Angsterkrankung herausfordern – darum dreht sich diese Folge vom Podcast „Auf Herz & Ohren“ mit Doc Caro. Zu Gast ist Angst-Expertin Dr. Ulrike Schmidt, Vizedirektorin der Klinik für Psychiatrie und Psychotherapie der Universitätsklinik Bonn.
Die eigene Angst annehmen statt dagegen anzukämpfen – dabei hilft diese geführte Meditation, die von Angela Homfeldt entwickelt wurde. So können Sie Schritt für Schritt einen besseren Umgang mit Ihren Ängsten erlernen.
Letzte Änderung: 24.02.2022
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