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Zwangsstörung: Ich kann nicht anders

ArtikelLesezeit: 4:00 min.
Frauenhände

Bildnachweis: © istockphoto.com / PeopleImages

Etliche Male kontrollieren, ob das Licht ausgeschaltet ist, oder das Bedürfnis, sich immer wieder die Hände zu waschen: Das können Symptome einer Zwangsstörung sein. Fachleute schätzen, dass zwei bis drei Prozent der Erwachsenen im Laufe ihres Lebens darunter leiden. Männer und Frauen sind etwa gleich häufig betroffen. Die Erkrankung bildet sich meist schon im Kindes- oder Jugendalter aus.

Was versteht man unter einer Zwangsstörung?

Zwangsstörungen gehören zu den psychischen Erkrankungen. Sie können unterschiedlich ausgeprägt sein und sich verschieden äußern. Manche Betroffene ekeln sich vor Schmutz, andere haben das Gefühl zählen zu müssen, während sie alltägliche Dinge tun. Wieder andere kontrollieren ständig, ob der Herd aus ist oder die Fenster zu sind. Auch bedrohliche oder quälende Gedanken, die nicht aus dem Kopf gehen, können Menschen mit einer Zwangsstörung belasten.

Oft ist den Erkrankten bewusst, dass ihre Handlungen sinnlos und übertrieben sind. Führen sie die Zwangshandlungen durch, fühlen sie sich gegebenenfalls kurzzeitig entlastet. Grundsätzlich aber fühlen sie sich dadurch gestört und in ihrem Alltag eingeschränkt. Einzelne Personen sind über einen Zeitraum fast beschwerdefrei. Oft gibt es aber jeweils Phasen, in denen mal mehr mal weniger Zwangshandlungen durchgeführt werden.

Durch welche Symptome zeigt sich eine Zwangsstörung?

Die Symptome einer Zwangsstörung sind vielfältig. Möglich sind zwanghaft ausgeführte Handlungen, die sich ständig wiederholen. Zum Beispiel:

  • ständiges Waschen
  • sinnloses Zählen
  • eine bestimmte Reihenfolge einhalten, etwa beim Anziehen
  • Handlungen bis zu einer gewissen Anzahl wiederholen müssen
  • einen Spruch aufsagen, während etwas Alltägliches getan wird

In anderen Fällen kennzeichnen Zwangsgedanken die Erkrankung: beispielsweise ständige Angst vor schweren Krankheiten oder gar Tötungsfantasien. Die Gedanken werden jedoch in der Regel nie in die Tat umgesetzt. Die Betroffenen empfinden diese selbst als unerträglich oder unmoralisch. Häufig liegt eine Kombination aus Zwangsgedanken und Zwangshandlungen vor.

Von einer Erkrankung sprechen Fachleute, wenn mehrere solcher Symptome über zwei Wochen an den meisten Tagen auftreten und Betroffene sich dadurch gestört fühlen.

Welche Ursachen kann eine Zwangsstörung haben?

Eine eindeutige Ursache für Zwangsstörungen gibt es nicht. Nach derzeitigem Wissensstand kommen verschiedene Faktoren zusammen, die die Entstehung einer Erkrankung begünstigen. Diese Aspekte können eine Rolle spielen:

Genetische Faktoren

Vererbung scheint Zwangsstörungen zu begünstigen. Wer Eltern hat, die ebenfalls erkrankt sind, hat ein höheres Risiko. Allerdings kann es auch sein, dass sich die Kinder das zwanghafte Verhalten bei ihren Eltern abschauen.

Neurobiologische Faktoren

Einige Hirnbereiche sind bei Menschen mit Zwangsstörung besonders aktiv. Fachleute vermuten, dass ein veränderter Hirnstoffwechsel Einfluss hat. Ob dieser Faktor eine Ursache oder eine Begleiterscheinung der Erkrankung ist, ist noch unklar. Denn die Auffälligkeiten werden weniger, wenn Patienten erfolgreich behandelt wurden. Auch Kopfverletzungen oder neurologische Erkrankungen wie Epilepsie können Zwangsstörungen begünstigen.

Erfahrungen und Erziehung

Fachleute gehen davon aus, dass Erziehung einen Einfluss hat. Ein sehr strenges Elternhaus oder ein Umfeld, in dem Kinder übermäßig vor Gefahren gewarnt werden, erhöhen das Risiko einer Zwangsstörung. Gleiches gilt für traumatische Erlebnisse, etwa eine schwere Krankheit oder der Tod eines Angehörigen.

Selbsttest: Zwangsstörung – sind Sie gefährdet?

Hinweis: Dieser Test kann weder eine ärztliche Diagnose ersetzen noch den Besuch beim Arzt. Er zeigt nur, ob Sie tendenziell gefährdet sind, eine Zwangsstörung zu entwickeln.

Zwangsstörung – sind Sie gefährdet?

Frage 1 von 8:

Wie halten Sie es mit den Fahrkarten, wenn Sie mit dem Zug reisen?

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Frage 2 von 8:

Angenommen, Sie haben ein Büro oder einen Werkraum. Welche Rolle spielt Ordnung für Sie darin?

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Frage 3 von 8:

Haben Sie in Ihrer Phantasie schon einmal einem Menschen etwas Böses angetan?

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Frage 4 von 8:

Sie beobachten im Café eine Frau, die am Fenster sitzt und murmelnd die Passanten zählt. Finden Sie das merkwürdig?

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Frage 5 von 8:

Haben Sie Bilder im Kopf, die Sie verfolgen und die Sie nicht abschütteln können?

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Frage 6 von 8:

Die Kaffepause, der Spaziergang im Park oder das Gute-Nacht-Sagen: Jeder Mensch hat Rituale, macht also bestimmte Dinge regelmäßig, mehr oder weniger immer in gleicher Weise und mit Freude. Sie auch?

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Frage 7 von 8:

Haben Verwandte, Freunde oder Bekannte Ihnen schon mal gesagt, dass Sie sich übertrieben oft waschen?

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Frage 8 von 8:

Ein Gedanke macht Ihnen Angst, beispielsweise dass einem geliebten Menschen etwas zustößt. Haben Sie das Bedürfnis, die Angst einzudämmen, indem sie eine bestimmte Handlung oft genug wiederholen?

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Kein Hauch einer Zwangsstörung

Sie fühlen keinen Zwang, irgendetwas in einer bestimmten Art und Weise tun zu müssen. Unter einer Zwangsstörung leiden Sie höchstwahrscheinlich nicht. Sie sehen vieles locker – in den Augen mancher Mitmenschen vielleicht zu locker. Angsteinflößende Gedanken sind Ihnen fremd oder Sie wissen, wie man gut mit ihnen umgeht. Auf andere wirken Sie entspannt und mit sich selbst im Reinen.

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Sie neigen nicht zu Zwängen

Sie sind im Allgemeinen ordentlich und pflichtbewusst, können aber auch mal Fünf gerade sein lassen. Kleine Rituale sind Ihnen wichtig, es handelt sich aber nicht um Zwangshandlungen, die sie unbedingt in einer bestimmten Weise ausführen müssen und/oder viele Male wiederholen. Sie sehen einen Sinn in dem, was Sie tun. Manchmal belastet Sie ein Gedanke, aber er wiederholt sich nicht in einförmiger Weise wie ein Zwangsgedanke. Sie haben mit hoher Wahrscheinlichkeit keine Zwangsstörung.

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Tendenz zur Zwangsstörung

Sie legen großen Wert auf Ordnung und haben vielleicht das ein oder andere Ritual entwickelt, das andere befremdlich und auch Sie selbst als störend empfinden. Es könnte also sein, dass Sie bereits unter einer Zwangsstörung leiden oder dabei sind, eine zu entwickeln. Wenn Sie unter stets wiederkehrenden Gedanken leiden, die Ihnen Angst machen oder Unruhe hervorrufen, oder wenn Sie Handlungen etliche Male wiederholen, obwohl sie Ihnen unsinnig erscheinen, sollten Sie ärztlichen Rat einholen. Manche Zwangshandlungen können auch Ausdruck einer anderen psychischen Störung sein – lassen Sie das abklären. Die Hoffnung Betroffener, eine Zwangsstörung allein in den Griff zu bekommen, erfüllt sich in der Regel leider nicht.

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Paar im Gespräch.

Psychotherapie

Die AOK steht Ihnen zur Seite.

Welche Folgen hat eine Zwangsstörung?

Vor allem spüren Erkrankte einen psychischen Leidensdruck. Es kann sein, dass sie so in ihren Zwängen gefangen sind, dass ein normaler Alltag schier unmöglich erscheint. Einige ziehen sich immer mehr zurück. Die Isolation kann unter anderem Depressionen hervorrufen. Körperliche Folgen sind ebenso denkbar, etwa Hauterkrankungen bei einem Waschzwang.

Wie lässt sich eine Zwangsstörung behandeln?

Kaum jemand schafft es, die Zwänge ohne Hilfe hinter sich zu lassen. Wer darunter leidet, sollte zunächst mit dem Hausarzt sprechen. Psychotherapeuten oder Psychiater sind meist die nächste Anlaufstelle. In intensiven Gesprächen erfahren diese mehr über den Alltag des Patienten. So können sie herausfinden, ob eine Zwangsstörung oder eine andere psychische Erkrankung vorliegt.

Zwänge werden meist mit einer Kombination aus Verhaltenstherapie und Medikamenten behandelt. In einer Konfrontationstherapie setzt sich der Patient bewusst Situationen aus, in denen Zwänge auftreten. So soll er lernen, Situationen und Gedanken auszuhalten, ohne seine Zwangshandlungen auszuführen. Es ist wichtig, die Erfahrung zu machen, dass trotzdem nichts Schlimmes passiert.

Zur medikamentösen Behandlung setzen Ärzte oft Serotonin-Wiederaufnahmehemmer ein. Damit werden auch Depressionen behandelt. Die Mittel sollen dabei helfen, die bei Erkrankten gestörte Impulsweitergabe im Gehirn wieder ins Gleichgewicht zu bringen. Ergänzend können Achtsamkeitsübungen helfen, wieder innere Balance zu finden.

Was können Angehörige tun, wenn jemand eine Zwangsstörung hat?

Jeder Fall ist individuell. Informieren Sie sich über die Erkrankung und suchen Sie möglichst früh Hilfe bei Fachleuten. Der Hausarzt kann eine erste Anlaufstelle sein. An vielen Orten gibt es Unterstützungsangebote auch für Angehörige.

3 Tipps für Angehörige:

  1. Wichtig zu verstehen: Die Zwänge lassen sich nicht mit Selbstdisziplin abstellen.
  2. Übernehmen Sie die Zwangshandlungen möglichst nicht, auch wenn das kurzfristig Besserung bringen kann.
  3. Weder der Betroffene noch Sie haben Schuld an der Erkrankung.

Führt die Corona-Pandemie zu mehr Zwangsstörungen?

Menschen mit einer Zwangsstörung stellt die Corona-Pandemie vor eine besondere Herausforderung. Besonders schwer tun sich Menschen, die unter einem Wasch- und Hygienezwang leiden. Generell zeichnet sich ab, dass die Pandemie zu mehr Angsterkrankungen und Zwangsstörungen führt. Eine erste Studie des Universitätsklinikums Hamburg-Eppendorf zeigt, dass sich bei bereits vorbelasteten Menschen die Symptome tendenziell verstärken.

Mehr Informationen für Betroffene und deren Angehörige

Deutsche Gesellschaft Zwangserkrankungen e. V.

Kontakt und Informationsstellen für Selbsthilfegruppen Hamburg (KISS)

Landesverband Nordrhein-Westfalen der Angehörigen psychisch Kranker e.V.

Einige Hochschulen bieten Ambulanzen für Menschen mit Zwangserkrankungen, beispielsweise die Heinrich Heine Universität Düsseldorf sowie die Universität Hamburg. Aktuell werden dort zudem Menschen gesucht, die an einer Studie zum Thema teilnehmen möchten.

Die Deutsche Gesellschaft für Psychologie hat Hilfestellungen gesammelt, um mit verschiedenen Herausforderungen der Corona-Pandemie besser umgehen zu können.

Letzte Änderung: 03.03.2022