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Wenn Essen Angst macht: Was hinter der ARFID-Essstörung steckt

ArtikelLesezeit: 3:00 min.
Frau schaut unglücklich auf einen Teller Pasta

Bildnachweis: © stock.adobe.com / nicoletaionescu

Manche Kinder essen nur Nudeln ohne Soße oder ekeln sich vor Gemüse. Auch Erwachsene können echte „Picky Eater“ sein. Bleibt das Essverhalten über längere Zeit stark eingeschränkt, steckt manchmal eine ernsthafte Essstörung dahinter: ARFID. 

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Die Expertin zum Thema

Heike Maier

Dipl.-Psychologin
ServiceCenter AOK-Clarimedis

Was bedeutet ARFID genau?

Stellen Sie sich vor, Sie haben für Ihren Freundeskreis gekocht – und ein Gast knabbert nur ein bisschen Brot, vermeidet den Rest. Oder Ihr Kind isst seit Monaten nur noch fünf verschiedene Lebensmittel. Alles andere wird konsequent verweigert. Ein neues Gericht? Keine Chance! Dahinter könnte eine ARFID-Essstörung stecken, die oft lange unentdeckt bleibt.

ARFID steht für „Avoidant/Restrictive Food Intake Disorder“ – zu Deutsch: vermeidende oder selektive Essstörung. Seit 2013 ist ARFID als eigenständige psychische Krankheit anerkannt. Das Besondere daran: Anders als bei Magersucht geht es den Betroffenen nicht ums Abnehmen oder Schlanksein. Sie haben schlicht panische Angst vor bestimmten Speisen, ekeln sich vor Konsistenzen oder haben gar kein Interesse am Essen.

Wie unterscheidet sich ARFID von Picky Eating?

Fast alle Kinder haben Phasen, in denen sie bestimmte Lebensmittel meiden. Auch viele Erwachsene sind beim Essen „mäkelig“. Das ist völlig normal und meist kein Grund zur Sorge. Viele Picky Eater bleiben trotz ihrer Marotten gesund, Kinder entwickeln sich gut.

Bei ARFID sieht das anders aus. Hier wird aus „mag ich nicht“ ein ernsthaftes Problem. Das sind die Warnsignale:

  • Extrem einseitige Ernährung über mehr als sechs Monate
  • Auslassen ganzer Lebensmittelgruppen
  • Nährstoffmangel und Gewichtsverlust, bei Kindern auch Wachstumsstillstand
  • Angst, Panik oder Ekel beim Gedanken ans Essen
  • Soziale Einschränkungen: Restaurant- und Kantinenbesuche oder gemeinsames Essen mit Freunden werden vermieden 

Wer ist von ARFID betroffen?

ARFID kann sowohl Kinder als auch Erwachsene treffen, besonders häufig aber Menschen mit weiteren Besonderheiten. So entwickelt etwa jedes fünfte Kind im Autismus-Spektrum auch eine ARFID-Essstörung. Kinder mit ADHS oder Angststörungen sind ebenfalls häufiger von ARFID betroffen.

Das Tückische: Eine ARFID-Essstörung bleibt oft lange unentdeckt. Kinder wirken gesund, Erwachsene erscheinen unauffällig, manchmal sogar übergewichtig. Denn die aktuelle Forschung zeigt: Auch Menschen mit erhöhtem Körpergewicht können an ARFID leiden. Erst wenn Mangelerscheinungen festgestellt werden oder bei Kindern das Wachstum stockt, wird das Problem offensichtlich.

Welche Ursachen hat ARFID?

Die Ursachen sind so verschieden wie die Betroffenen selbst. Häufig jedoch entsteht ARFID aus einem Zusammenspiel psychischer, sensorischer und biologischer Faktoren.

  • Sensorische Überempfindlichkeit: Manche Menschen nehmen Gerüche, Geschmäcker und Konsistenzen viel intensiver wahr als andere. Was für uns lecker riecht, kann für sie unerträglich sein.
  • Negative Esserfahrungen: Ereignisse wie ein starkes Verschlucken können Angst vor dem Essen auslösen – auch noch im Erwachsenenalter.
  • Begleiterkrankungen: Menschen mit Autismus oder ADHS verarbeiten Reize anders. Das Gehirn ist mit so vielem beschäftigt, dass für „Essensexperimente“ keine Kapazität bleibt.

Wichtig ist: Niemand trägt Schuld an ARFID – weder die Betroffenen selbst noch ihre Eltern. Entscheidend ist, das Verhalten ernst zu nehmen und frühzeitig professionelle Hilfe zu suchen.

Welche Folgen kann ARFID haben?

Beschränkt sich bei der ARFID-Essstörung der Speiseplan auf nur wenige Lebensmittel, hat das vielfältige Auswirkungen: 

  • Körperlich: Durch die Mangelernährung kommt es zu Vitamin- und Mineralstoffdefiziten. Kinder wachsen nicht richtig, sind ständig müde oder werden häufig krank.
  • Psychisch: Betroffene ziehen sich zurück. Die ständige Angst vor dem Essen kann stark belasten.
  • Familiär: Spannungen und Stress rund um die Mahlzeiten sind häufig.
Frau sitzt vor ihrem Frühstück und will nichts essen

Fragen zu Essstörungen?

Unser Experten von AOK Clarimedis helfen weiter.

Wie wird ARFID behandelt?

Die gute Nachricht: ARFID ist behandelbar – und je früher die Hilfe erfolgt, desto besser die Aussichten. Auch für Erwachsene, die vermuten, schon seit der Kindheit betroffen zu sein, gilt: Es ist nie zu spät. Erste Anlaufstelle ist dabei die Haus- oder Kinderarztpraxis. Von dort kann eine weiterführende Behandlung organisiert werden – in der Regel im Zusammenspiel mehrerer Fachrichtungen: 

  • Verhaltenstherapie: hilft, Ängste vor bestimmten Lebensmitteln schrittweise zu reduzieren.
  • Logopädie: kann unterstützend eingesetzt werden, wenn eine Aversion gegen bestimmte Konsistenzen (zum Beispiel feste Lebensmittel) vorliegt.
  • Ernährungsberatung: unterstützt dabei, einen Nährstoffmangel auszugleichen und neue Lebensmittel zu integrieren.
  • Familientherapie: stärkt das familiäre Verständnis und entlastet Eltern und Geschwister.

ARFID im Kindesalter: Was können Eltern bei selektivem Essverhalten tun?

Eltern sollten zunächst entspannt bleiben: Wählerisches Essverhalten ist normal. Wenn es über Monate anhält oder Mahlzeiten stressig werden, kann ein Termin in der Kinderarztpraxis helfen. Im Alltag können Eltern ihr Kind unterstützen, indem sie ein gesundes Essverhalten vorleben, keinen Druck ausüben und die Auswahl von Lebensmitteln offen beobachten. Kleine Portionen neuer Lebensmittel, gemeinsames Kochen und Vorbildverhalten fördern die Akzeptanz. Erfolge sollten gelobt werden – auch wenn das Kind das Essen erst einmal wieder ausspuckt. Hauptsache, es hat sich getraut, etwas Neues auszuprobieren.

Fazit: ARFID ernst nehmen und früh behandeln

Die ARFID-Essstörung ist mehr als nur wählerisches Essen – sie ist eine behandlungsbedürftige psychische Erkrankung. Die gute Nachricht: Mit professioneller Unterstützung und Geduld können betroffene Kinder und Erwachsene wieder ein entspanntes Verhältnis zum Essen entwickeln. Je früher die Behandlung beginnt, desto besser sind die Heilungschancen. Zögern Sie nicht, bei Verdacht auf ARFID kinder- oder hausärztlichen Rat einzuholen. 

Letzte Änderung: 07.11.2025

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