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Hypnobirthing: mentale Geburtsvorbereitung durch Fantasiereisen und Suggestionen

ArtikelLesezeit: 4:00 min.
Schwangere sitzt auf einem Gymnastikball und macht Atemübungen

Bildnachweis: © stock.adobe.com / pressmaster

Hypnobirthing kombiniert Entspannungstechniken, Selbsthypnose und Atemtechniken für eine entspanntere Geburt. Die Methode soll Geburtsangst reduzieren und Schmerzen lindern. Lesen Sie hier, wie Hypnobirthing funktioniert und für wen es geeignet ist.

Expertenbild

Die Expertin zum Thema

Miriam Nachtkamp

Kinderkrankenschwester, Krisenbegleiterin, Hypnotiseurin und Gründerin der Schreibaby-Ambulanz in Bornheim

Die Geburt eines Kindes ist ein einschneidendes Erlebnis – und für viele werdende Mütter auch mit Sorgen verbunden. Wie wird die Geburt ablaufen? Wie stark werden die Schmerzen sein? Hypnobirthing setzt hier an: Diese Methode der mentalen Geburtsvorbereitung soll helfen, Ängste abzubauen, Vertrauen in den eigenen Körper zu entwickeln und die Geburt entspannter zu erleben.

Hypnobirthing – mehr als nur Entspannung

Hypnobirthing ist eine Methode der Geburtsvorbereitung, die auf Selbsthypnose, Tiefenentspannung, Atemtechniken und positiven Gedanken basiert. Die Grundidee geht auf den englischen Gynäkologen Grantly Dick-Read (1890–1959) zurück, der ab den 1930er-Jahren das sogenannte Angst-Spannung-Schmerz-Syndrom beschrieb und für eine natürliche, angstfreie Geburt plädierte.

Die US-amerikanische Hypnotherapeutin Marie F. Mongan entwickelte auf diesen Ansätzen in den späten 1980er Jahren das heute als Hypnobirthing bekannte Kursformat, das gezielt Hypnosetechniken und Affirmationen (also positive, selbstbestärkende Aussagen) zur Angstreduktion integriert. Ihre Annahme: Angst und Anspannung verstärken den Geburtsschmerz – gezielte Entspannungsverfahren, bewusste Atmung und eine positive innere Haltung mindern ihn – und bauen Selbstvertrauen auf. „Das Ziel des Hypnobirthing-Kurses ist, den Fokus auf das Einleiten eines Entspannungsprozesses zu legen“, erklärt Miriam Nachtkamp. „Dadurch konzentriert sich die Frau nicht mehr zu hundert Prozent auf den Schmerz, ihre Gedanken kreisen weniger und der Körper kommt zur Ruhe.“

Wichtig: Hypnobirthing hat nichts mit Show-Hypnose zu tun. Schwangere lernen, sich selbst in einen Zustand tiefer Entspannung zu versetzen – durch eine Form der Selbsthypnose, bei der sie jederzeit die Kontrolle behalten. Im Unterschied zu anderen Geburtsvorbereitungsmethoden liegt der Fokus weniger auf körperlichen Übungen und mehr auf mentaler Vorbereitung.

So wirkt Hypnobirthing auf Körper und Geist

Die Hypnobirthing-Methode ruht auf vier Säulen:

  • Atemtechniken: Spezielle Atemübungen helfen, den Körper mit Sauerstoff zu versorgen und Ruhe zu fördern. Für verschiedene Geburtsphasen gibt es unterschiedliche Techniken – etwa eine langsame, tiefe Atmung während der Wehen.
  • Tiefenentspannung: Durch Selbsthypnose lernen Schwangere, ihren Körper bewusst zu entspannen. Das senkt die Ausschüttung von Stresshormonen wie Adrenalin und fördert die Produktion von Hormonen, die Schmerzen reduzieren, Wehen fördern und für Geborgenheit sorgen.
  • Visualisierung: Positive innere Bilder spielen eine zentrale Rolle. Schwangere stellen sich vor, wie sich der Muttermund sanft öffnet oder wie das Baby seinen Weg findet. Diese Visualisierungen sollen helfen, den natürlichen Geburtsverlauf zu unterstützen.
  • Affirmationen: Positive Glaubenssätze wie „Mein Körper weiß genau, was zu tun ist" sollen negative Gedanken ersetzen und das Selbstvertrauen stärken. Durch regelmäßiges Wiederholen verankern sich diese Sätze im Unterbewusstsein.

Zusammen wirken diese Techniken darauf hin, dass sich die werdende Mutter sicherer und ruhiger fühlt. Die innere Ruhe überträgt sich auf den Körper: Die Muskulatur entspannt sich – und das kann den Geburtsverlauf erleichtern. „Durch das Erlernen dieser Techniken ist die Mutter in der Lage, in eine Art Trancezustand zu gelangen“, sagt Miriam Nachtkamp. „Sie bekommt noch alles mit, ist aber nach innen fokussiert. Dadurch ist der Körper entspannter und sie kann mental loslassen.“

Diese Effekte kann Hypnobirthing haben

Hypnobirthing verspricht keine schmerzfreie Geburt – aber es kann dazu beitragen, dass die Geburt als weniger schmerzhaft empfunden wird. „Das Schmerzempfinden ist zwar noch da, aber nicht mehr so groß“, erklärt Miriam Nachtkamp. Wichtig: Hypnobirthing ersetzt keine Schmerzmedikation, sondern bietet lediglich Techniken zum Schmerzmanagement. Manche Frauen benötigen trotz Hypnobirthing zusätzliche Schmerzmittel – und das ist völlig in Ordnung. 

Studien  zeigen, dass Frauen, die Hypnobirthing praktizieren, häufig weniger Angst vor der Geburt haben. Die Methode kann besonders bei ausgeprägter Geburtsangst oder der sogenannten Tokophobie – der krankhaften Angst vor einer Entbindung – unterstützend wirken. Durch Tiefenentspannung und bewusste Atmung kann das Schmerzempfinden während der Wehen reduziert werden. „Es ist keine komplettfreie schmerzfreie Geburt“, so die Expertin. „Und die Frau muss sich auf solche Techniken einlassen können, sonst erreicht sie einen solchen Entspannungszustand nicht.“

Hypnobirthing fördert zudem ein Gefühl von Selbstwirksamkeit und Kontrolle. Viele Frauen berichten, dass sie sich aktiver am Geburtsprozess beteiligt fühlten. Das kann zu einer positiven Geburtserfahrung beitragen, unabhängig davon, wie die Geburt letztlich verläuft.

Einige Studien deuten darauf hin, dass Hypnobirthing die Geburtsdauer verkürzen kann. Andere zeigen, dass Frauen seltener eine PDA (= Periduralanästhesie, eine Form der Regionalanästhesie zur Schmerzlinderung bei der Geburt) oder medizinische Interventionen benötigen.

Was gut belegt ist: Entspannungstechniken und Stressreduktion wirken sich positiv auf den Geburtsverlauf aus. Stress führt zur Ausschüttung von Adrenalin, das die Wehentätigkeit hemmen kann. Entspannung dagegen fördert Oxytocin, das die Wehen unterstützt.

Wichtig: Hypnobirthing ist kein Wundermittel. Ob und wie stark es wirkt, hängt von vielen individuellen Faktoren ab und ist von Frau zu Frau unterschiedlich.

Wie funktioniert Hypnobirthing? Lernen und anwenden

Wer Hypnobirthing ausprobieren möchte, sollte idealerweise zwischen der 20. und 25. Schwangerschaftswoche beginnen. So bleibt genug Zeit zum Üben. Ein Einstieg ist aber auch später möglich.

Ein typischer Hypnobirthing-Kurs umfasst mehrere Sitzungen, in denen Atemübungen, Entspannungstechniken, Visualisierungen und Affirmationen vermittelt werden. Oft werden auch anatomische Grundlagen erklärt.

Viele Kurse beziehen den Partner, die Partnerin oder eine andere Geburtsbegleitung ein. Diese Person lernt, wie sie die werdende Mutter während der Geburt unterstützen kann, etwa durch beruhigende Worte oder das Vorlesen von Affirmationen. In der Regel sind diese Kurse kostenpflichtig und werden nicht von der Krankenkasse übernommen.

Hypnobirthing lässt sich auch selbstständig über Bücher, Apps oder Online-Kurse lernen. Der Vorteil: Flexibilität. Der Nachteil: Es fehlt die persönliche Anleitung.

Entscheidend ist das regelmäßige Üben. Die Techniken müssen so verinnerlicht werden, dass sie während der Geburt abrufbar sind. Experten empfehlen ein tägliches Übungsprogramm von etwa 20 bis 30 Minuten.

Eine Visualisierungsübung von Expertin Miriam Nachtkamp

„Eine ganz einfache Übung ist die Entspannungsreise am Meer. Stellen Sie sich vor, Sie liegen an einem wunderschönen Tag am Meer. Es ist nicht zu heiß und nicht zu kalt. Die Wellen kommen und gehen. Mit jeder Welle atmen Sie tief ein und aus. Die Wellen werden langsam immer stärker. Sie konzentrieren sich weiter auf Ihren Atem. Im Rhythmus der Wellen gehen Sie mit, bis diese abflachen. Werden die Wellen wieder stärker, beginnt das Ganze von vorne. Stellen Sie sich dabei vor, dass sich mit jeder Welle der Muttermund langsam weiter öffnet und Sie der Geburt des Kindes immer näherkommen.“

Schwangere sitzt auf dem Sofa und isst aus einer Schüssel in ihrer Hand.

Entspannt entbinden

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Für wen ist Hypnobirthing geeignet?

Grundsätzlich ist Hypnobirthing für alle Schwangeren geeignet – unabhängig vom Geburtsort. Besonders hilfreich kann die Methode für Frauen mit ausgeprägter Geburtsangst sein. Auch bei einer Risikoschwangerschaft kann die Methode grundsätzlich eingesetzt werden, allerdings sollten Sie dies vorher mit der Gynäkologin oder Hebamme besprechen. Auch bei bestimmten psychischen Vorerkrankungen sollten Sie vor Beginn ärztlichen Rat einholen.

Wichtig ist in jedem Fall die Offenheit für die Methode und die Bereitschaft zum regelmäßigen Üben. Miriam Nachtkamp rät: „Melden Sie sich einfach mal für eine Probestunde an, um auszuprobieren, ob es das Richtige für Sie ist.“

Auch wenn der Geburtsverlauf anders verläuft als gewünscht, können die Techniken hilfreich sein. Atemübungen und Visualisierungen helfen zum Beispiel auch bei einem Kaiserschnitt, Ruhe zu bewahren. Die Expertin erklärt: „Im Kurs sagen wir immer, mit dem Kaiserschnitt ist der Job der Mutter nicht zu Ende. Er ist immer mit Ängsten verbunden. Hypnobirthing hilft auch in dieser Situation – so schaffen es die Mütter, ruhiger zu bleiben und nicht in die Angst einzusteigen.“

Fazit

Hypnobirthing ist eine wertvolle Ergänzung zur klassischen Geburtsvorbereitung. Die Methode bietet Techniken, um Ängste abzubauen, Schmerzen zu lindern und die Geburt selbstbestimmter zu erleben.

Ob Hypnobirthing die richtige Methode für Sie ist, können nur Sie selbst entscheiden. Wichtig ist, dass Sie sich gut informieren und realistische Erwartungen haben.

Sprechen Sie mit Ihrer Hebamme oder Ihrer Frauenärztin über Hypnobirthing. Sie können Sie individuell beraten und gemeinsam mit Ihnen überlegen, ob die Methode in Ihre Geburtsvorbereitung passt. Denn am Ende zählt: Sie entscheiden, wie Sie Ihr Kind zur Welt bringen möchten – informiert, selbstbestimmt und auf Ihre Weise.

Letzte Änderung: 08.12.2025

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