Mit der Einschulung verbringen viele Kinder zum ersten Mal einen Großteil des Tages außerhalb des eigenen Zuhauses. Für Eltern heißt das auch: Es lässt sich nur noch bedingt beeinflussen, welchen Einflüssen Ihr Kind ausgesetzt ist. Wie Sie es mithilfe von Resilienz gut gegen Mobbing und Ausgrenzung stärken und ihm ein gesundes Selbstbewusstsein und Körperbild vermitteln, verrät Expertin Heike Maier im Interview.
Dipl.-Psychologin
ServiceCenter AOK-Clarimedis
Frau Maier, wie bereiten wir unser Kind mental auf die Schule vor?
Eltern können ihr Kind auf die Schule vorbereiten, indem Sie ehrliche Gespräche über Erwartungen und Ängste führen. Indem Sie es in bestimmten Bereichen stärken, zum Beispiel in seiner Kommunikationskompetenz, seinem Umgang mit Fehlern und vor allem auch in seiner Selbstständigkeit, können Sie Ihr Kind ebenfalls unterstützen. Wenn das Kind ermutigt wird, selbstständig Entscheidungen zu treffen und Probleme zu lösen, kann es ein Gefühl von Selbstwirksamkeit entwickeln und erfahren. Dieses trägt wesentlich dazu bei, dass sie sich als kompetent erleben und das Gefühl haben, in der neuen Schulumgebung zurechtzukommen und Einfluss auf Dinge nehmen zu können. Kindern zu vermitteln, Fehler als Lernmöglichkeiten zu betrachten, ist ein grundlegender Bestandteil der Resilienzförderung. Dies hilft ihnen, auch mögliche Rückschläge als Teil des Lernprozesses zu akzeptieren.
Was genau bedeutet Resilienz?
Resilienz ist die psychische Widerstandsfähigkeit. Der Begriff bezeichnet das Vermögen, sich anzupassen, Herausforderungen effektiv zu bewältigen und daraus zu lernen. Das ist sehr bedeutsam für die Entwicklung und für das Wohlergehen von Kindern.
Als Pionierarbeit der Resilienzforschung gilt auch eine Langzeitstudie bei Kindern von der amerikanischen Entwicklungspsychologin Emmy Werner. Darin fand sie heraus, dass ein Aufwachsen in schwierigen Verhältnissen einen bedeutenden Einfluss auf die Entwicklung von Kindern hat. Die Untersuchung zeigte gleichzeitig, dass ein Drittel der Kinder sich trotz erschwerter Bedingungen dennoch sehr positiv entwickelten. Aus den Ergebnissen schloss man, dass seelische Schutzfaktoren existieren müssen. Die Wurzeln für die Entwicklung von Resilienz liegen einerseits in der Person des Menschen, andererseits in seiner Lebensumwelt.
Die Resilienzforschung hat gezeigt, dass Resilienz erlernbar ist. Zudem ist kein Mensch immer gleich widerstandsfähig. Resilienz kann mit der Zeit und unter verschiedenen Umständen variieren. Resiliente Kinder nutzen eigene Ressourcen effektiv aus, rechnen mit dem Erfolg eigener Handlungen, gehen Problemsituationen aktiv an und glauben an eigene Kontrollmöglichkeiten, erkennen aber auch realistisch, wenn etwas außerhalb ihrer Kontrolle ist. Resiliente Kinder sind kompetente Akteure ihres eigenen Lebens.
Wie können wir sie unseren Kindern nahebringen?
Besonders entscheidend für Resilienz sind soziale Fähigkeiten, ein wertschätzender Erziehungsstil und eine gute und stabile emotionale Beziehung zu mindestens einer Bezugsperson.
Eine solche Bezugsperson kann entscheidend dafür sein, dass das Kind ein sicheres Bindungsmuster entwickelt – es also auch im Erwachsenenalter schafft, gesunde Beziehungen zu anderen Personen aufzubauen. Nach Werner zeigen resiliente Kinder eine durchschnittliche Intelligenz und positives Temperament. Der dritte Schlüsselfaktor ist die gesellschaftliche Unterstützung. Die Kinder haben haltgebende Werte gelernt und werden wertgeschätzt. Fühlen sich Kinder durch die Erziehenden wertgeschätzt und akzeptiert, wirkt sich dies ebenfalls positiv auf die Entwicklung von Resilienz aus. Dabei helfen auch kompetente und fürsorgliche Erwachsene außerhalb der Familie, die als positive Rollenmodelle dienen, Mut zusprechen und vorleben, wie man Krisensituationen im Alltag bewältigt. Was Eltern und andere Bezugspersonen vorleben, wie diese mit verschiedenen Situationen umgehen – mit Enttäuschungen beispielsweise – nehmen Kinder zum Vorbild und es kann ihnen dabei helfen, einen guten Umgang mit verschiedenen schwierigen Situationen zu entwickeln. Optimismus stellt ebenfalls einen wichtigen Resilienzfaktor dar.
Förderlich können außerdem eine geregelte Tagesstruktur und Routinen im familiären Zusammenleben sein. Auch Sport und Bewegung können förderlich sein, denn bei körperlichen Aktivitäten schütten wir Glückshormone aus. Damit erhöht sich auch die Stresstoleranz dauerhaft und das Gehirn wird resilienter. Und Sie als Eltern haben natürlich eine Vorbildfunktion. Ihr Kind schaut sich viel von Ihnen ab: Wie bewältigen Sie Krisensituationen? Wie gehen Sie mit Fehlern und Enttäuschungen um? Wie optimistisch sind Sie?
Welche Mittel haben wir konkret, um unser Kind gegen Mobbing und Ausgrenzung zu stärken?
Eine Umgebung, in der sich das Kind sicher fühlt und Wertschätzung erfährt, trägt viel zur Stärkung gegen Mobbing und Ausgrenzung bei. Fördern Sie seine Stärken und leben Sie ihm vor, wie es Konflikte löst und Stress bewältigt. Das ist gut für sein Selbstbewusstsein.
Helfen Sie Ihrem Kind außerdem, Freundschaften und soziale Netzwerke aufzubauen. So kann es lernen, effektiv zu kommunizieren und positive Beziehungen zu pflegen. Dies bereitet es auch darauf vor, Unterstützung zu suchen und anzubieten, sich in verschieden Situationen und Gruppengefügen zurechtzufinden oder sich in brenzligen Situationen zu schützen.
Kindergesundheit
Leistungen der AOK Rheinland/Hamburg für Schulen und Kitas
Wie bringen wir ihm bei, sich etwas zuzutrauen und für sich selbst einzustehen?
Wir sollten es unbedingt ermutigen, seine Meinung zu sagen. Dabei hilft es, wenn es weiß, dass es in etwas kompetent ist. Ihrem Kind gibt es Vertrauen und Sicherheit, wenn Sie seine Talente und Fähigkeiten hervorheben. Zeigen Sie ihm auch, wie es diese bei sich selbst erkennt.
Vermitteln Sie dem Kind einen festen Glauben an die eigene Selbstwirksamkeit. Helfen Sie ihm, sich im späteren Leben zu behaupten und einen flexiblen Umgang mit schwierigen Lebenssituationen zu entwickeln. Das lässt sich im Alltag zum Beispiel umsetzen, indem Sie das Kind kleinere Aufgaben im Familienleben übernehmen lassen. Das kann ihm helfen, sich als vollwertiges Mitglied der Familie wahrzunehmen.
Oft erzählen Kinder den Eltern nicht von Vorfällen, die ihnen Angst machen. Wie können wir das ändern?
Schaffen Sie ein unterstützendes und respektvolles Umfeld, in dem das Kind sich sicher fühlt, seine Gedanken und Gefühle zu teilen. Zeigen Sie ihm, dass Sie immer geduldig zuhören und ohne Urteil reagieren. So können sie sein Vertrauen gewinnen und ihm zeigen: Du kannst mit mir über alles reden. Die eigenen Gefühle in Worte zu fassen, zu erklären und selbst auf Lösungsmöglichkeiten zu kommen, ist für die Entwicklung von Resilienz ein wichtiger Faktor.
Ein wichtiger Aspekt für die Entwicklung eines guten Selbstbewusstseins ist der Aufbau eines gesunden Körperbildes. Wir können wir das unseren Kindern vermitteln?
Vor allem, indem Sie selbst eines vorleben. Gespräche über Essen sollten Sie auf eine positive Weise führen. Der Fokus sollte auf gesunden Essgewohnheiten und nicht auf Gewichtsverlust liegen. Präsentieren Sie körperliche Aktivitäten als etwas Lustiges und Gesundes, anstatt sie mit Zwang oder dem Streben nach einem bestimmten Aussehen zu verknüpfen. Ermutigen Sie Ihr Kind, seine eigenen Körpergrenzen und -bedürfnisse zu erkennen und zu respektieren. Denken Sie mit Ihrem Kind auch kritisch über Medienbotschaften bezüglich Körperbild und Selbstbewusstsein nach. Gemeinsame Medienzeiten können Sie nutzen, um über unrealistische Schönheitsideale oder Manipulation in der Werbung zu sprechen.
Viele heutige Eltern hatten früher selbst mit Unsicherheiten zu kämpfen, die sie bis heute prägen. Wie können wir unsere eigenen negativen Erfahrungen überwinden, um sie nicht an unser Kind weiterzugeben?
Erst einmal ist es wichtig, sich dessen überhaupt bewusst zu werden. Sie müssen Ihre Gedanken und Gefühle kennen, um diese dann verarbeiten zu können. Um Ihren Kindern in Sachen Körper- und Selbstbild ein gutes Vorbild zu sein, ist es wichtig, dass Sie sich selbst verzeihen und sich annehmen. Reflektieren Sie bewusst und tauschen Sie sich mit Experten oder auch anderen Eltern dazu aus. So schaffen Sie es leichter, neue Wege zu finden, um Ihre eigenen negativen Erfahrungen zu überwinden ¬– und schließlich ihrem Kind positive Botschaften zu vermitteln.
… und wie schaffen wir es letztlich auch, ein bisschen loszulassen?
Wahrscheinlich haben Sie das Gefühl, jetzt weniger Kontrolle zu haben. Versuchen Sie, Sie sich auf das zu konzentrieren, was Sie beeinflussen können. Machen Sie sich bei diesen Dingen Ihre Bedeutung bewusst. Versuchen Sie, flexibel auf Veränderungen zu reagieren. Und vor allem: Seien Sie fürsorglich mit sich selbst.
Letzte Änderung: 07.03.2024
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