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Long Covid: Wie Max Jaeger sich zurück zum Handball kämpfte

ArtikelLesezeit: 3:00 min.
Maximilian Jäger, Handballer

Bildnachweis: © imago-images.de / Eibner-Pressefoto

Maximilian Jaeger ist 25 Jahre alt und spielt Handball in der Bundesliga, als er sich mit dem Coronavirus ansteckt. Nach einem milden Krankheitsverlauf geht es ihm plötzlich immer schlechter, bis er seinen Alltag nicht mehr bewältigen kann. Die Diagnose: Long Covid. Im Interview erzählt er von seinem langen Weg zur Diagnose, seinen Sorgen und Ängsten – und welchen Rat er anderen Long-Covid-Patienten gibt.

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Der Experte zum Thema

Maximilian Jaeger

Profihandballer beim HSC 2000 Coburg

Sie sind Profisportler und darauf angewiesen, fit zu sein. Was tun Sie, abgesehen vom Sport, für Ihre Gesundheit?

Redaktion

Als Sportler achte ich natürlich schon immer auf eine ausgewogene Ernährung. Das Thema hat seit meiner Coronainfektion aber noch mehr an Stellenwert gewonnen. Inzwischen versuche ich, Milchprodukte zu reduzieren und auf Gluten zu verzichten. Während meiner Erkrankung habe ich außerdem mit Meditation begonnen. Auch wenn es im Alltag oft zu kurz kommt, tut es doch sehr gut. Generell versuche ich, mehr auf meine psychische Gesundheit zu achten.

Maximilian Jaeger

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Was bedeutet Ihnen Gesundheit – vor und nach der Diagnose Long Covid?

Redaktion

Das werden die meisten kennen: Solange man gesund ist, schätzt man Gesundheit oft zu wenig. Das ging mir genauso. Ich bin jung und war immer gesund, auch in meiner Familie gab es glücklicherweise wenige Berührungspunkte mit Krankheit.

Mir war zwar auch vorher klar, dass Gesundheit das Wichtigste überhaupt ist, aber erst jetzt weiß ich, was das wirklich bedeutet – und ich bin unheimlich dankbar, wieder gesund zu sein.

Maximilian Jaeger

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Sie haben sich im Frühjahr 2021 mit COVID-19 infiziert und einen relativ milden Krankheitsverlauf gehabt. Was ist dann passiert?

Redaktion

Ich habe mich Ende März 2021 bei einem Spiel mit dem Coronavirus angesteckt und hatte nicht mehr als ein paar Erkältungssymptome: Kopfschmerzen, Halskratzen und Geschmacksverlust. Bald waren die Beschwerden verschwunden und ich stieg drei Wochen später wieder ins Training ein. Nach ein paar Wochen wachte ich eines Morgens auf und hatte Kreislaufprobleme. Klar, das kann es mal geben, vielleicht hatte ich mich überanstrengt oder zu wenig getrunken. Doch es wurde immer schlimmer. Es kamen Vergesslichkeit, Konzentrations- und Bewusstseinsstörungen sowie Schwindel hinzu. Ich war auf einmal komplett durcheinander. Wenn ich vom Wohnzimmer in die Küche ging, wusste ich nicht mehr, was ich in der Küche überhaupt machen wollte. Ich fühlte mich wie betrunken, als hätte ich Watte im Kopf. Dieser Dämmerzustand hielt über Wochen an. Das Schlimmste war, dass ich nach außen hin ganz normal wirkte, ich mich aber alles andere als normal fühlte. Irgendwann war ich kaum noch lebensfähig.

Maximilian Jaeger

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Sie vergaßen die kleinsten Dinge, konnten nicht mehr einkaufen, kochen, aufräumen oder andere alltägliche Dinge bewältigen. Wie sind Sie damit umgegangen?

Redaktion

Anfangs trainierte ich in dem Zustand trotzdem weiter – jedoch mehr schlecht als recht. Meine Mitspieler verschwommen vor meinen Augen und ich hielt nicht mal mehr die einfachsten Pässe. Doch als der dänische Fußballspieler Christian Eriksen während eines EM-Spiels zusammenbrach und auf dem Platz wiederbelebt werden musste, habe ich einen radikalen Cut gemacht. Sein Zusammenbruch hat mich richtig schockiert und ich realisierte: Das könnte ich sein! Über Wochen habe ich verschiedene Ärzte abgeklappert und meinen kompletten Körper durchchecken lassen. Das Ergebnis: Herz gesund, Lunge gesund, Blut gesund, alles gesund. Ich war froh über jedes positive Ergebnis, verzweifelte aber auch immer mehr. Nach langem Warten hatte schließlich ein Neurologe die Diagnose: Long Covid.

Maximilian Jaeger

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Was waren Ihre größten Sorgen und Ängste zu diesem Zeitpunkt?

Redaktion

Im ersten Moment war ich einfach nur froh, dass das Ding einen Namen hat. Vor der Diagnose fühlte ich mich völlig hilflos und war frustriert. Eine Zeitlang dachte ich sogar, ich hätte einen lebensbedrohlichen Hirntumor, anders konnte ich mir meine rätselhaften Symptome nicht erklären. Long Covid war damals ja überhaupt noch kein Thema. Als ich die Diagnose dann hatte, war das ein paradoxer Zustand: Meine erste Reaktion war tatsächlich Freude, Sorgen habe ich mir erst im zweiten Schritt gemacht.

Maximilian Jaeger

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Long Covid war zu diesem Zeitpunkt noch wenig erforscht, gab es trotzdem einen Behandlungsplan?

Redaktion

Die Ärzte haben ihr Bestes getan, aber auch sie wussten zu dem Zeitpunkt noch wenig über Long Covid. Und man darf nicht vergessen, dass ich als Profisportler ohnehin in einer privilegierten Situation war, weil ich schnell Termine bei guten Fachärzten bekam. Doch das Einzige, was sie mir wirklich raten konnten, war Geduld zu haben. Ich war also stets in engem Kontakt mit meinem Arzt, habe mich aber auch selber schlau gemacht und viel ausprobiert. Irgendwann war ich bereit, alles zu versuchen – ich habe meine Ernährung umgestellt, mit Meditation begonnen, pflanzliche Heilmittel gegen Schwindel genommen und Homöopathie ausprobiert. Stück für Stück wurde es dann besser, aber ich kann bis heute nicht sagen, was der entscheidende Faktor war oder ob es überhaupt einen gab. Vielleicht brauchte es doch einfach Zeit.

Maximilian Jaeger

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Was hat Ihnen geholfen, diese Zeit emotional zu überstehen?

Redaktion

Das war eine große psychische Belastung. Ich habe sehr gelitten und auch den Glauben an eine Besserung verloren. Ich glaubte, mein Leben, wie ich es mir vorgestellt hatte, war vorbei und ich müsste den Sport aufgeben, das Studium, meine Familienpläne, vielleicht sogar meine Beziehung. Meine größten emotionalen Stützen waren meine Familie, meine Freundin, meine Mannschaft und meine Therapeutin. Und ich habe nie aufgegeben.  

Maximilian Jaeger

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Frau mit Headset am Computer.

AOK-Clarimedis

Medizinische Hilfe am Telefon.

Hätten Sie als junger Profisportler damit gerechnet, an Long Covid zu erkranken?

Redaktion

Nein, überhaupt nicht. Mir war schon bewusst, dass COVID-19 keine einfache Krankheit ist, dazu musste man sich ja nur die Todesfallzahlen ansehen. Aber ich hätte nie gedacht, dass dieses Virus derartige Langzeitfolgen mit sich bringen kann. Das Risiko für ältere und vorerkrankte Menschen ist sicherlich höher, aber inzwischen wissen wir ja: Es kann genauso junge gesunde Menschen treffen.

Maximilian Jaeger

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Wie sieht Ihr Lebens- und Berufsalltag inzwischen aus?

Redaktion

Die Besserung passierte schleichend. Nach etwa drei Monaten hatte ich immer öfter gute Tage. Ich habe mich in ganz kleinen Schritten an meinen Alltag, an mein Studium und an den Sport herangetastet und dabei genau beobachtet, wie viel Anstrengung ich vertrage. Nach einem halben Jahr fühlte ich mich dann deutlich besser, nach etwa neun Monaten hatte ich das Gefühl, über den Berg zu sein. Heute ist mein Alltag wieder recht normal, auch wenn es durchaus noch Tage gibt, an denen mir schwindlig ist. Ich mache wieder ein paar Stunden Sport am Tag und kann für mein Studium wieder so lernen wie vorher.  

Maximilian Jaeger

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Hat Long Covid Ihren Blick auf Ihre Gesundheit und Ihr Leben verändert?

Redaktion

Vieles erscheint mir nicht mehr selbstverständlich. Ich weiß es viel mehr zu schätzen, dass ich gesund bin, dass meine Familie gesund ist, aber auch, dass ich mein Hobby zum Beruf machen konnte. Meine Krankheit hat meine Familie und mich noch enger zusammengeschweißt und ich spiele inzwischen auch bei meinen Freunden öfter mal den Moral- und Gesundheitsapostel. Trotzdem bleibt die Angst, dass die Krankheit zurückkommen könnte.

Maximilian Jaeger

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Welchen Rat können Sie anderen Long-Covid-Patienten geben?

Redaktion

Long Covid gibt es in ganz unterschiedlichen Ausprägungen und jede bringt andere Herausforderungen mit sich. Das Wichtigste ist sicherlich, dass man sich Hilfe sucht – sowohl ganz praktische als auch psychologische. Es tut gut, sich mit Leidensgenossen auszutauschen, und es ist essenziell, sich den Ballast von der Seele zu reden. Und man sollte nicht aufgeben – ich bin das beste Beispiel dafür. Mir hat es geholfen, mich nicht völlig hängenzulassen, sondern mich wieder ganz langsam an meinen normalen Alltag heranzutasten. Da darf man sich ruhig auch über kleine Erfolge freuen. Ich gebe also den Rat, den ich selbst nicht hören wollte: Geduld – es gibt eine gute Chance auf Besserung!

Maximilian Jaeger

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Letzte Änderung: 09.08.2022